Konservative Kreise loben das "Nordische Modell" als Lösung für das "Problem" der Prostitution. Bei diesem Modell, das zuerst in Schweden eingeführt und deshalb früher als "Schwedisches Modell" bekannt war, handelt es sich um ein Gesetz, das nicht den Verkauf sexueller Dienstleistungen bestraft, sondern nur den Kauf. SexarbeiterInnen bleiben also straffrei. Freier werden bestraft. Zudem gibt es verstärkt Anreize für SexarbeiterInnen die ihnen den Wechsel zu anderen Jobs erleichtern sollen.
Als Hauptmotivation für dieses und ähnliche Modelle der Prohibition werden immer der Kampf gegen Menschenhandel und Missbrauch angeführt, die angeblich einen grossen Teil des Sexgewerbes ausmachen sollen.
Sexarbeit Demo Berlin 2015, Foto: h3xtacy
Studien die von den Unterstützern des Modells herausgegeben wurden, zeigen natürlich einen positiven Effekt mit einer Reduktion von Ausbeutung und Menschenhandel.
Was diese Studien jedoch verschweigen und unabhängige Studien belegen ist Folgendes:
Das Sexkaufverbot hatte nie das Wohl der Sexarbeitenden zum Ziel, sondern nur die Durchsetzung religiöser Moralvorstellungen
https://www.stiftung-gssg.org/wp-content/uploads/2021/03/Statement-DSTIG-Doku-3SAT_210322_GS.pdf
„In Nordirland wurden Daten von der Queen’s University Belfast vor und nach der Einführung eines Sexkaufverbots
erhoben und erlauben somit einen direkten Vergleich. Nach Einführung des so genannten Sexkaufverbots waren weder eine Reduktion der Nachfrage noch der Anzahl von Sexarbeitenden zu beobachten; auch ein Einfluss auf die Zahlen von
Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung war nicht feststellbar.“
United Nations: Eliminating discrimination against sex workers and securing their human rights
Stellungnahme der Organisation ProCoRe
Arte TV: Schweden - Wo Sexarbeiterinnen keine Rechte haben (youtube)
Arte TV: Schweden - Wo Sexarbeiterinnen keine Rechte haben (daylimotion)
https://www.swarmcollective.org/blog/the-swedish-model
https://www.lastradainternational.org/news/ep-femm-committee-adopts-biased-prostitution-report/
Wie Organisationen von SexarbeiterInnen bestätigen, ging es bei der Entwicklung und Anwendung des "Nordischen Modells der Prostitution" nie um das Wohl der Frauen, Männer und Transsexuellen. Die wenigen Inputs welche die Entwickler bekommen hatten, wurden denn auch vollständig übergangen. Das "Nordische Modell" dient lediglich als Feigenblatt der Politik, um den konservativen Wählern zeigen zu können dass etwas getan wird. Mit der Vorweisung der geschönten Studien sind diese dann auch schnell zufrieden gestellt, und das tatsächliche Wohl der Betroffenen hat für sie ohnehin keinen Stellenwert.
In Ländern mit geregelter Sexarbeit wie der Schweiz oder Deutschland, sieht man dass der Anteil an Menschenhandel in der Erotik-Branche vergleichbar ist mit demjenigen in der Altenpflege. Es ist also keineswegs gerechtfertigt, die ganze Sexbranche unter Generalverdacht zu stellen, wie es die Sichtweise stark moralisierender Kreise fordert. (Tatsächlich sind Schlagzeilen wie "Arbeitszeiten von über 16 Stunden, fensterlose Zimmer und Hungerlöhne: Hausangestellte wurden aufs Übelste ausgebeutet" keine Seltenheit.)
Wer das "Nordische Modell der Prostitution" fördert, ist bestenfalls ignorant und schlecht informiert, verblendet durch religiösen Fundamentalismus oder aber ist Profiteur von der Stärkung des Schwarzmarkts. In jedem Fall beweist man als Unterstützer seine unmenschliche Haltung, weil man die Bedürfnisse der Betroffenen ignoriert.
Das "Nordische Modell" ist bereits in seiner frühesten Phase, nämlich schon als Idee im Kopf irgend eines selbstgerechten Moralisten, ein kompletter Fehlschluss. Realisieren lässt es sich deshalb nur dank direktem Kontakt zu einflussreichen Politikern, die ebenfalls in erster Linie am Moralisieren interessiert sind. Das Problem welches sie mit dem "Nordischen Modell" lösen wollen, musste jedoch zuerst geschaffen werden. Einseitige, verzerrende Studien und stigmatisierende Presseberichte waren und sind immer noch einige der Methoden welche gezielt eingesetzt werden, um Sexarbeit als Problem darzustellen.
Wie geht man stattdessen richtig mit Sexarbeit um?
Zuallererst einmal muss man sich bewusst werden, dass Sexarbeit existiert, weil Sex eines der wichtigsten menschlichen Bedürfnisse ist. Und man muss sich bewusst werden dass sie nur deswegen stigmatisiert wird, weil die falsche Moral der Religion seit Jahrhunderten versucht, Sex als Sünde darzustellen. Doch unsere Bedürfnisse kann man nicht einfach unterdrücken. Selbst die treuesten Diener Gottes schaffen das nicht. Welches Leid daraus entsteht, sehen wir nicht nur bei den Skandalen der Kirche; auch viele Personen ausserhalb erleben deswegen seit Generationen psychisches und körperliches Leid. Doch die Unterstützer des "Nordischen Modells" haben daraus absolut nichts gelernt.
Sexarbeit ist Therapie und soll als solche anerkannt werden.
Sexual Therapeut/in ist ein anerkannter Beruf. Doch im Grunde machen sie dasselbe wie viele Sexarbeiter. Interessant dabei ist, dass in einem Presseartikel oder einer Sendung über Sexualtherapeuten/innen keines der sonst bei Sexarbeit üblichen Worte auftaucht wie "Menschenhandel", "Ausbeutung", "Rotlicht-Viertel" etc. Mit dem gleichen Respekt sollte jede Form der Sexarbeit behandelt werden.
Statt mit Verboten für die Sexarbeiter/innen Probleme zu verursachen, müssen wir dieser gesellschaftlich wichtigen Dienstleistung zu Anerkennung verhelfen um die Stigmatisierung zu beenden und ihr einen sicheren Raum zu bieten – damit Missbrauch nicht mehr auf den fruchtbaren Boden stösst, den ihm die Verbote und Vorurteile bereitet haben.
Siehe dazu auch den Artikel "Die Stimmen der SexarbeiterInnen".